• Ein Ausweis für die Gesellschaft

     

    Sie standen da, zu hunderten, warteten auf eine warme Mahlzeit oder auf ein Paket mit Gütern des täglichen Bedarfs. Als sich das Coronavirus Bahn brach und sich die Schweiz mit einem Lockdown schützte, kamen plötzlich Menschen zum Vorschein, die es hier eigentlich gar nicht geben dürfte. Von denen niemand wusste, wer sie sind, woher sie kommen.

     

    Es waren Sans-Papiers.

     

    Rund 80'000 Menschen ohne Aufenthaltsstatus leben in der Schweiz, allein 10'000 sind es in Zürich. Sans-Papiers führen ein Leben im Verborgenen, ohne jegliche staatliche Unterstützung. Ihren Lebensunterhalt finanzieren sie sich in der häuslichen Pflege, als Küchenhilfen, in der Kinderbetreuung oder als Hausarbeiterinnen. Es sind so viele, dass jeder 17. Haushalt des Kantons Zürich eine Sans-Papiers beschäftigt. Sie alle eint die ständige Angst, entdeckt zu werden.

     

    Sans-Papiers tragen täglich zum Wohlstand unseres Landes bei. Gleichzeitig gehören sie zur vulnerabelsten Bevölkerungsgruppe. Jede kleinste Auffälligkeit könnte den Verlust ihrer Existenz bedeuten. Werden sie Opfer von Gewalt oder Ausbeutung, werden sie von Arbeitgebern bedroht oder schikaniert, können sie die Polizei nicht alarmieren. Eine unvorstellbare Situation.

     

    Eine Gesellschaft wie die unsere lebt vom sozialen Miteinander, von der sozialen Kontrolle, von der sozialen Sicherheit. Eine Gesellschaft jedoch, die sich in eine sichtbare und eine unsichtbare Gruppe teilt, eine Gesellschaft mit Rechten für die einen und Rechtlosigkeit für die Anderen gefährdet das soziale Miteinander, gefährdet die soziale Kontrolle, gefährdet die soziale Sicherheit aller.

     

    Doch wie umgehen mit Menschen, die mitten unter uns leben und doch unsichtbar bleiben?

     

    Der Zürcher Stadtrat zeigte sich betroffen von den teils desaströsen, durch die Pandemie offenbarten Lebensumstände tausender Sans-Papiers. Und entschloss sich zu neuen Wegen, zur Züri City Card. Ein Ausweis für alle Bewohnerinnen und Bewohnern Zürichs, auch für Sans-Papiers. Ein Ausweis, der Sans-Papiers aus ihrer Anonymität und vom Rand in die Mitte der Gesellschaft holt. Ein Ausweis der Integration, weil er Sans-Papiers am öffentlichen Leben teilhaben lässt. Ein Ausweis der Sicherheit, weil er Sans-Papiers den Zugang zu Hilfsangeboten erleichtert und damit das Leben aller sicherer macht. Ein Ausweis für die Gesellschaft.

     

    Schon einmal hat die Stadt Zürich Veränderungen angestossen, die europaweit Nachahmung fanden. In den 90er-Jahren justierte sie die Drogenpolitik neu und verhindert damit bis heute viel Elend. Auch die Züri City Card hat das Potenzial, die Situation von Sans-Papiers nachhaltig zu verbessern.

     

    Am 15. Mai 2022 stimmt Zürich über einen Projektierungskredit von 3.2 Mio. Franken zur Ausarbeitung des Stadtausweises ab. Die Stimmbürgerinnen und Stimmbürger sollten ihm eine Chance geben.

  • Ruth Dreifuss

    Ruth Dreifuss

    alt Bundesrätin

     

    Markus Notter

    Markus Notter

    alt Regierungsrat

    Moritz Leuenberger

    Moritz Leuenberger 

    Monika Stocker

    Monika Stocker

    alt Stadträtin

    Claudia Kaufmann

    Gerold Lauber

    alt Stadtrat

    Ruth Genner

    Ruth Genner

    alt Stadträtin

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    Robert Neukomm

    alt Stadtrat

    Claudia Kaufmann

    Claudia Kaufmann

    ehem. Ombudsfrau Stadt Zürich

  • Darum geht's

     

    Der Zürcher Stadtrat schlägt die Einführung eines Stadtausweises vor. Diese Züri City Card wird allen Bewohnerinnen und Bewohnern ausgestellt, auch an Sans-Papiers. Der Ausweis soll mehrere bisherige Karten ersetzen (bspw. Badi-Abo, Theaterpass), sicheren Zugang zu Online-Logins bieten und Unternehmen als Kunden- oder Rabattkarte dienen. Gleichzeitig erleichtert er Sans-Papiers den Zugang zu Hilfsangeboten und städtischen Angeboten. Vor allem aber ermöglicht er Sans-Papieres, in Notfällen die Polizei zu alarmieren. Am 15. Mai 2022 stimmt die Zürcher Stimmbevölkerung über einen Projektierungskredit von 3.2 Mio. Franken ab, um weitere inhaltliche, technische und rechtliche Abklärungen zur Ausarbeitung der Züri City Card zu treffen. Rechte Kreise haben dagegen das Referendum ergriffen.